2018 - News im Desert Flower Center
Selbsthilfegruppe
Im letzten Jahr haben wir immer wieder überlegt, wie wir den Ablauf der Selbsthilfegruppe optimieren und den Afrikanerinnen unser medizinisches Wissen leicht verständlich vermitteln können.
Natürlich erkläre ich in der Sprechstunde mit einfachen Worten, bei welchen Beschwerden wir mit einer Operation Linderung schaffen können, und bei welchen eine Operation keine Verbesserung erzielt. Doch die meisten Frauen, die an der Selbsthilfegruppe teilnehmen, waren bisher noch nicht in meiner Sprechstunde.
Eine Veränderung wird daher sein, dass wir zwar weiterhin um 14 Uhr mit der Selbsthilfegruppe beginnen, aber ab 14:30 Uhr ein Schild an die Tür hängen, über das Zuspätkommende in den Nebenraum gebeten werden. Ab 14:30 Uhr ist die Tür nun verschlossen und wir beginnen mit einem 30-minütigen Vortrag. Auch die vielen Kinder sind in der Zeit im Nebenraum und werden von einer der Mütter betreut.
Ich war sehr gespannt, wie mein erster Vortrag mit Hilfe einer Power Point Präsentation von den Frauen angenommen werden würde. Die Reaktionen zeigten uns, dass wir damit genau auf dem richtigen Weg sind.
Ich bin jetzt, wo ich das hier aufschreibe, immer noch überwältigt vom dem Gefühl, das einzig richtige getan zu haben. Warum sind wir nicht eher auf die Idee gekommen, einen Vortrag mit Hilfe eines Beamers an die Wand zu werfen? Genug weiße Wände gibt es ja im Gymnastikraum des PrimaVita, wo unsere Treffen stattfinden.
Die Frauen haben zugehört, die Bilder, Fotos und Zeichnungen des Vortrages waren für sie einfach und verständlich, zudem haben wir die Folien zweisprachig (Deutsch und Somalisch) gestaltet, sodass die Frauen, die lesen können, automatisch beschäftigt und aufmerksam waren. Seit unserem ersten Treffen im Januar 2015 haben wir noch nie so ruhige und konzentrierte dreißig Minuten während unserer Treffen erlebt. Eine echte Sensation!
Das Thema war: „Weibliche Genitalverstümmelung – Medizinische Auswirkungen für unseren Körper“.
Die Fragen, die anschließend gestellt wurden, haben uns gezeigt, wie wichtig dieses Thema ist und wie wenig selbstverständlich den afrikanischen Frauen vieles ist. So war eine der anwesenden Frauen sichtlich erstaunt zu hören, dass Gefühlsschwankungen innerhalb des Zyklus normal sind. In ihren Augen war eine große Dankbarkeit abzulesen, als sie davon erfuhr.
Uns muss immer bewusst sein, dass die afrikanischen Frauen in ihrem Heimatland ohne Sexualaufklärung aufwachsen. Über Sexualität wird nicht geredet und auch die weibliche Genitalverstümmelung ist ein großes Tabuthema.
Die Frauen haben durch den Vortrag über die Anatomie des weiblichen Genitals erfahren und gelernt, dass die Klitoris und die Schamlippen nicht ein Leben lang weiter wachsen, wenn man sie nicht beschneidet. Auch haben sie verstanden, dass Menstruationsblut und Urin nicht abfließen können, wenn alles beschnitten und vernäht wird. Wir haben bei den Treffen fast ausschließlich Frauen aus Somalia, die meisten sind nach Typ III beschnitten.
Am 24. Februar 2018 findet das nächste Treffen statt. Ich werde den Vortrag wiederholen und wir haben viele Ideen für weitere Themen, die wir dringend ansprechen müssen. Meine Kolleginnen Nicole Dittwald und Evelyn Brenda werden ebenfalls Vorträge halten.
Es freut uns sehr, dass unsere Teilnahmezahlen stetig ansteigen. Gerade im Wintermonat Januar hat uns das überrascht, denn in den letzten Jahren waren die Sommermonate sehr viel besser besucht. Am 20. Januar 2018 waren 38 Frauen und mehr als zehn Kinder anwesend.
Patientinnen
Gleich zu Beginn des neuen Jahres haben wir wieder Frauen operiert, die extra aus dem Ausland angereist sind. Wir sind sehr glücklich, dass wir diese Behandlungskosten durch die eingegangenen Spenden finanzieren können. Auf diesem Weg ein herzliches Dankeschön an alle, die uns durch Spenden unterstützen! (Ein kleiner Hinweis: ab einer Spendensumme von 100 Euro können wir eine Spendenquittung ausstellen, dafür notwendig ist natürlich die Angabe der Adresse des Spenders).
Noch während eine der Patientinnen bei uns auf der Station lag, hat sie uns diese ergreifende E-Mail geschrieben, die wir nach Rücksprache mit ihr veröffentlichen dürfen:
Dear Dr Strunz,
from the bottom of my heart, I thank YOUR marvellous team for every step in this journey in making me feel like a woman again. "I can't smile enough" come to think of it, my desert was rocky with little or no vegetation and your team turned it around and planted a flower which signifies beauty, elegance and much more; now I can hold my head high in humility to work and support other women in the Desert Flower Center and around the world.
Words cannot describe my appreciation to you all. God bless you.
Best Wishes, A.
Und noch eine schöne Nachricht erfreute uns: Eine unserer Patientinnen erwartet im April ihr erstes Kind, es wird ein Mädchen. Sie ist glücklich, dass wir ihr dies mit einer Operation ermöglichen konnten. Und wir sind glücklich, weil sie mit ihrer Freundin darüber reden konnte und diese nun auch unsere medizinische Hilfe in Anspruch nehmen möchte.
Presse
Zum „Internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung“ hat uns Frau Meingast im DFC besucht und uns für die Nürnberger Nachrichten interviewt. Das Interview ist am 6. Februar 2018 erschienen, es gibt eine Print- und online Version.
Link: http://www.nordbayern.de/politik/genitalverstummelung-50-000-betroffene-in-deutschland-1.7195402
Im Dezember 2017 haben wir eine Anfrage von Herrn Frank Nürnberger erhalten, der im Rahmen seines Projektes „Work21 – Arbeiten im 21. Jahrhundert“ unsere Arbeit mit Hilfe eines Video-Interviews darstellen wollte. Das Ergebnis kann man unter folgendem Link einsehen: http://work21.de
Intensivseminar FGM
Da wir immer wieder von Kolleginnen und Kollegen angeschrieben werden, die Fragen im Umgang mit genitalbeschnittenen Frauen haben, bieten wir fortan zwei Mal im Jahr ein Intensivseminar für medizinisches Personal an.
Unter folgendem Link finden Sie die Termine und Anmeldeformalitäten: https://www.krankenhaus-waldfriede.de/aktuelles/weiterbildungen
Liebe Grüße Ihre/Eure Dr. Conny