Das DFC-Team in Kenia: Visite im Gynocare Fistula Center
Kapitel 6: Ungewöhnlicher Krankenhausalltag
Dr. Cornelia Strunz und Evelyn Brenda berichten von ihrer Reise nach Kenia
Mittwoch 25. Mai 2016: Kapitel 6 unserer Reise nach Kenia führt uns wieder ins Gynocare Fistula Center. Heute Vormittag übernehmen Evelyn und ich hier die Visite bei den Patientinnen. Die Freude uns wiederzusehen ist groß. Die Frauen sind schon viel offener als gestern und wollen alle ein Foto mit uns haben. Pauline, die gestern eine mehrstündige Operation hatte, bei der ich Dr. Mabeya assistieren durfte, lächelt mir aus ihrem Bett entgegen. Während sie eine Infusion erhält, darf ich sie interviewen. Was für eine tapfere junge Frau!
Auch Naomi, die gestern operiert wurde, geht es sehr gut. Sie kann morgen schon entlassen werden. Im Garten sprechen wir noch mit weiteren Frauen. Wir erfahren, dass zwei von ihnen durch einen Bericht im Radio über den Gynocare Marathon auf die Klinik aufmerksam geworden sind.
So viel Dankbarkeit: „Ihr seid meine Familie!“
Bei unseren Gesprächen mit den Frauen erleben wir viel Dankbarkeit. Alle wollen mit uns reden und sich mit uns fotografieren lassen. Evelyn fragt eine Frau, ob sie denn schon Besuch von ihrer Familie bekommen habe. Die Antwort ist umwerfend: „Ihr seid meine Familie!“ So schnell wird man hier ins Herz geschlossen! Auch wir fühlen uns den Frauen sehr verbunden.
Nach zwei Stunden Visite im Garten gehen wir in den OP. Die erste Patientin (Judy, 20 Jahre) hat gerade eine Spinalanästhesie bekommen. Sie ist so aufgeregt, dass sie doch eine Vollnarkose braucht. Anschließend operieren wir ein ca. 15-jähriges Mädchen, das durch diverse Fehlgeburten seit 5 Jahren inkontinent ist. Niemand hat ihr geholfen. Jetzt wird ihr Leid hoffentlich ein Ende finden. Die Verständigung mit ihr ist kaum möglich, da sie aus dem Norden von Kenia kommt und im Gynocare keiner ihre Sprache spricht. Keiner darf sie vor der Operation untersuchen und erst recht nicht ihren Bauch anfassen. Die schrecklichen Narben sind wohl eine Folge der Fehlgeburten. Ich will mir nicht ausmalen, was diese junge Frau alles erlebt hat! Wir können ihr nur mit liebevollen Gesten zeigen, dass wir ihr helfen wollen.
Interessante Entdeckung bei Dr. Mabeya
Dr. Mabeya trägt Gummistiefel im OP. Während der Fistel-Operation verstehe ich, warum. Die Eingriffe, die er durchführt, können eine sehr feuchte Angelegenheit werden. Durch die vielen Fistelöffnungen, die er während der OP verschließt, fließt der Urin wie Wasser vom OP-Tisch. Die Technik, die Dr. Mabeya heute bei der Frau anwendet, habe ich noch nie gesehen. Er ist zwar Gynäkologe, aber seine Operationen gehen in den urologischen Bereich über – diese strikte Trennung zwischen den Fachbereichen gibt es hier anscheinend nicht. Deshalb werden auch von anderen Kliniken Patienten mit Harnleiterverletzungen zu ihm ins Gynocare geschickt. Wahrscheinlich ist man einfach nur froh, wenn man irgendwo einen Experten findet.
Besichtigung im Rohbau der neuen Klinik
Am Abend, noch vor Sonnenuntergang, zeigt uns Dr. Mabeya den Rohbau seiner neuen Klinik. Die Bauarbeiten sollen in ca. 3 Monaten beendet sein und dann wird das neue Gynocare den Frauen noch komfortablere Hilfe und Schutz bieten können. Er ist so glücklich über diese neue Klinik! Das ganze Konzept hat er selbst erarbeitet und ich freue mich schon jetzt, hier hospitieren zu können.
Heute Abend sind Evelyn und ich dann zu Gast bei Familie Mabeya in ihrem Haus in Eldoret. Es gibt köstliches kenianisches Essen. Wir haben ausgesprochenes Glück mit dem Wetter. Es ist trocken. Die Luft hier in 2.200 Meter Höhe ist sehr klar und nachts kühlt es sich ab. Es gibt nur wenige Mücken.
Morgen früh geht’s zurück nach Nairobi. Der Abschied aus Eldoret fällt mir nicht leicht.