5 Fragen zum Thema weibliche Genitalverstümmelung
Was ist weibliche Genitalverstümmelung?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert weibliche Genitalverstümmelung (engl.: Female Genital Mutilation, kurz FGM) als jegliche nicht-therapeutische, teilweise oder vollständige Entfernung oder Verletzung des weiblichen äußeren Genitales, z.B. aus religiösen oder kulturellen Gründen.
Im Allgemeinen werden den jungen Mädchen von professionellen Beschneiderinnen mit Glasscherben, Rasierklingen, Messern oder anderen scharfen Werkzeugen Klitoris und Schamlippen entfernt. Dies geschieht ohne Betäubung und unter katastrophalen hygienischen Bedingungen.
In den meisten Ländern ist FGM gesetzlich verboten. In Deutschland gilt weibliche Genitalverstümmelung nach § 226 a Strafgesetzbuch (StGB) als schwere Körperverletzung.
Welche Formen der weiblichen Genitalverstümmelung gibt es?
Weltweit existieren viele Formen der weiblichen Genitalverstümmelung, auch Mischformen. Die häufigsten Varianten wurden von der WHO wie folgt klassifiziert:
Typ I – Die Sunna-Beschneidung/ Klitoridektomie
Entweder die Klitorisvorhaut und/oder der gesamte äußerlich sichtbare Teil der Klitoris werden entfernt.
Typ II – Die Exzision
Der äußerlich sichtbare Teil der Klitoris sowie die kleinen, evtl. auch die großen Schamlippen werden teilweise oder ganz entfernt.
Typ III – Pharaonische Beschneidung/ Infibulation
Hierbei werden zuerst der äußerlich sichtbare Teil der Klitoris und Teile der inneren und/oder äußeren Schamlippen entfernt. Anschließend werden die Wundränder des äußeren Schambereiches zusammengefügt und die Vaginalöffnung verschlossen. Nach der Beschneidung werden die Beine der Mädchen durch Zusammenbinden der Oberschenkel über Wochen stillgelegt. In dieser Zeit soll die Haut über der Vaginalöffnung und dem Ausgang der Harnröhre zusammenwachsen. Lediglich eine winzige Öffnung – offengehalten durch das Einlegen eines kleinen Zweiges – verbleibt für den Austritt von Urin oder Menstruationsblut. So dauert ein Gang zur Toilette schon mal eine ganze Stunde und ist extrem schmerzhaft.
Für den späteren sexuellen Verkehr oder die Geburt eines Kindes müssen infibulierte Frauen aufgeschnitten werden. Oft geschieht die Öffnung der Frau für den Geschlechtsakt durch die gewaltsame Penetration des Ehemannes oder mit Hilfe einer Rasierklinge.
Typ IV – Mischformen
Mischformen zwischen Typ I, II und III sowie das Einstechen, Durchbohren, Einschneiden, Abschaben oder Wegätzen des weiblichen Genitalgewebes.
Warum wird bei Frauen eine Genitalverstümmelung durchgeführt?
FGM gilt als traditionelles Initiationsritual, das den Übergang vom Mädchen zur erwachsenen Frau symbolisiert. Für viele Frauen aus afrikanischen oder muslimischen Ländern ist FGM selbstverständlich. Sie sind mit diesem Ritual aufgewachsen und stellen es nicht in Frage. Ökonomische Abhängigkeit und mangelnde Aufklärung führen dazu, dass diese Tradition bis heute Bestand hat.
Die Anfänge von FGM reichen in Afrika etwa 5.000 Jahre zurück in die Vergangenheit. Die Motive sind mannigfaltig. Sie unterscheiden sich durch Ethnie und Region. Die Mehrheit der beschneidungspraktizierenden Muslime z.B. geht davon aus, dass der Islam die weibliche Beschneidung von ihnen erwartet. Der Koran erwähnt die weibliche Beschneidung jedoch nicht. In den heiligen Städten Medina und Mekka sowie in anderen muslimischen Ländern ist der Brauch völlig unbekannt. Auch in vorwiegend christlichen Ländern, wie z. B. Äthiopien, werden Mädchen und Frauen beschnitten.
In welchen Ländern wird weibliche Genitalverstümmelung praktiziert?
Weltweit leiden ca. 200 Millionen Mädchen und Frauen in 30 verschiedenen Ländern an den Folgen weiblicher Genitalverstümmelung. Mehr als die Hälfte davon leben in Indonesien, Ägypten und Äthiopien. In asiatischen Ländern und im Nahen Osten ist weibliche Genitalverstümmelung (FGM) ebenfalls weit verbreitet.
Ca. 700.000 betroffene Frauen leben in Europa, alleine in Deutschland wird die Zahl auf 50.000 geschätzt.
Weibliche Genitalverstümmelung: Was sind die Folgen?
Ungefähr zehn Prozent der Mädchen und Frauen sterben an den akuten Konsequenzen von FGM wie Blutvergiftung und Blutverlust.
Medizinische Folgen von FGM sind beispielsweise chronische Entzündungen und Schmerzen im Genitalbereich und Inkontinenz. Aufgrund mangelnder Hygiene bei der Beschneidung kann es zu Infektionen wie HIV/AIDS und Hepatitis kommen. Durch Narbenwülste und die Verengung der Scheide kann es zu Komplikationen bei der Geburt kommen, die für Mutter und Kind lebensgefährlich sind.
Doch das sind nur die körperlichen Folgen der Genitalverstümmelung. Neben Vertrauensverlust und Verlust des Selbstwertgefühls, ist FGM ein zutiefst traumatisches Erlebnis. Das führt oft zu depressiven Verstimmungen, bzw. Depressionen bis hin zur sozialen Isolation. Die Angst vor Intimität verbunden mit intensiven Schamgefühlen und dem Verlust der eigenen Weiblichkeit sind allgegenwärtig.
Welche Idee verfolgt das Desert Flower Center Waldfriede in Berlin?
Das Desert Flower Center Waldfriede verfolgt ein ganzheitliches Konzept, um die Lebensqualität von Frauen nach einer Genitalverstümmelung zu verbessern. Durch eine medizinische Behandlung der Folgen einer Beschneidung sollen zunächst einmal chronische Schmerzen bei der Menstruation, beim Wasserlassen oder beim Geschlechtsverkehr gelindert werden. Durch eine operative Abtragung von Narbengewebe lassen sich Geburtsrisiken reduzieren, die z.B. infolge einer verengten Scheide auftreten können. Mit der chirurgischen Rekonstruktion der Klitoris und der Schamlippen wollen wir den Frauen die Möglichkeit geben, sich wieder ganz zu fühlen und eine schmerzfreie Sexualität zu erleben. Ob und wie stark auch die Lust zurückkommt, ist von vielen weiteren Faktoren abhängig.
Uns ist bewusst, dass von FGM betroffene Frauen weit mehr benötigen als eine rein medizinische Behandlung. Deshalb bieten wir im Desert Flower Center Waldfriede zusätzlich psychologische Betreuung, eine monatliche Selbsthilfegruppe und vieles mehr an. Und das alles ist vollkommen kostenfrei für die betroffenen Frauen.
Übrigens: Manchmal ist es nicht verkehrt, auch ein bisschen weiter zurückzuschauen, um zu sehen, wie lange das Thema Genitalverstümmelung auch in Deutschland schon in der Diskussion ist und wie viel die verschiedenen Aktivisten und auch die Politik inzwischen schon erreicht haben. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf einen sehr lesenswerten Artikel in der EMMA aus dem Jahr 2009!