Das DFC-Team in Kenia: Neue Hoffnung
Dr. Cornelia Strunz berichtet von der Reise des DFC-Teams nach Kenia im Mai 2017.
Montag, 22. Mai 2017
Gleich nach einem schönen und stärkenden Frühstück treffen wir uns erneut im Gynocare Women’s & Fistuala Hospital, um „unsere“ Patientinnen zu besuchen. Wir sind voller Erwartung, wie es ihnen heute – zwei Tage nach der Operation – gehen wird. Ganz besonders interessiert uns, wir sich die kleine Nehema fühlt. Als sie nach der OP aus der Narkose erwachte, hatte sie wild um sich geschlagen und geschrien… Es war schwierig, sie zu beruhigen.
Dankbarkeit und Hoffnung in allen Augen
Schon auf dem Flur kommt uns Nehema entgegengelaufen. Wir sind froh, sie heute so fröhlich und zufrieden zu sehen. Dass sie unmittelbar nach der Narkose ganz außer sich war, hat uns beunruhigt und noch lange beschäftigt. Was der Auslöser für ihre Angst war, können wir nur vermuten. Gut möglich, dass sie sich in diesem Moment an die Gewalt erinnerte, die ihr in ihrem jungen Leben bereits angetan wurde. Die Verstümmelung (FGM) ist für die Mädchen und Frauen fast immer eine extrem traumatische Erfahrung. Völlig überraschend werden sie von Müttern, Großmüttern oder Tanten festgehalten und dann von der Beschneiderin ohne Betäubung an Schamlippen und Klitoris beschnitten. Sie verlieren viel Blut, können sich danach tagelang nicht bewegen, weil sie mit zusammengebundenen Beinen warten müssen, bis die Wunden zu heilen beginnen. Niemand spricht mit ihnen über das Erlebte. Sie sind ganz allein in ihrem Schmerz und ihrer Enttäuschung.
Dass es Nehema heute so offensichtlich besser geht, freut uns von ganzem Herzen. Aufgeweckt führt sie uns in den „Fistula Ward“ – den Patientensaal – in dem alle Mädchen und Frauen liegen. Den beiden anderen Patientinnen, die wir vorgestern operiert haben, geht es ebenfalls sehr gut. Ihre Augen strahlen vor Hoffnung und Dankbarkeit.
Gemeinsam mit Krankenpfleger James, den ich seit meinem ersten Besuch 2016kenne, machen wir die Visite. Dabei werden wir mit großen Augen beobachtet. Viele der Patientinnen haben noch nie einen „Mzungu“ – einen „weißen Menschen“ – gesehen! Entsprechend groß ist das Erstaunen.
Dr. Scherer löst einen sehr komplexen Fall
Nach der Visite beginnen wir mit der ersten OP. Für heute steht eine junge Patientin auf dem Plan, die wir bereits im Oktober 2016 gesehen hatten. Nach der Untersuchung damals war uns sofort klar, dass wir für diesen komplexen Fall eine etwas längere Vorbereitung benötigen würden. Extra für die Operation dieser Patienten haben wir deshalb ganz spezielle Instrumente aus dem Krankenhaus Waldfriede mitgebracht.
Die Situation der jungen Frau ist bedrückend. Zusätzlich zu einem künstlichen Harnausgang hat die 27-Jährige seit sieben Jahren auch einen künstlichen Darmausgang (Stoma). Alle behandelnden Ärzte haben ihr seither prophezeit, dass sie diesen ihr Leben lang behalten wird. Dank der Expertise von Dr. Scherer sind wir in der Lage, den Darmausgang innerhalb von zwei Stunden zurückzulegen. Zur allgemeinen Erleichterung läuft während der OP alles hervorragend. Das Gynocare Team ist begeistert. Die von Dr. Scherer verwendete Operationstechnik hat hier noch keiner der Ärzte und Pfleger jemals gesehen. Was für ein großartiges Gefühl, der jungen Frau mit unseren Möglichkeiten helfen zu können!
Bereits am Abend geht es unserer Patientin sichtlich besser. Sie dankt uns wieder und wieder und erzählt uns, wie sehr sie darauf gehofft hatte, dass wir nach unserem letzten Besuch wirklich zurückkommen würden, um ihr zu helfen. Natürlich haben wir unser Versprechen gehalten! Leider ist sie nicht die einzige Frau mit einem so komplexen Problem. Unglücklicherweise können wir nicht allen gleichzeitig helfen. Aber wir können zumindest Hoffnung spenden. Unsere nächste Reise nach Eldoret ist schon in Planung! Und die Vorbereitungen für diese komplizierten Operationen sind bereits angelaufen.
Ein wunderbares Projekt: Beyond Fistula
Am Nachmittag besuchen wir ein Haus in unmittelbarer Nähe der Klinik. Im Moment leben hier dauerhaft 14 Mädchen. Sie alle sind ehemalige Patientinnen von Dr. Mabeya und bauen sich nun im Rahmen des „Beyond Fistuala Projekt“ eine eigene Existenz auf. Christine, eine amerikanische Krankenschwester im Ruhestand, leitet dieses wundervolle Projekt. Sie lebt mit im Haus und ist für die Mädchen wie eine Mutter.
An drei Nähmaschinen stellen die Mädchen Tischläufer, Schürzen und Taschen her! Das Geld, das sie mit dem Verkauf ihrer Produkte verdienen, ermöglicht ihnen die finanzielle Unabhängigkeit von einem Mann oder ihrer Familie. Wie Ihr sehen könnt, hat unser Team die Schürzen mit großer Begeisterung anprobiert. An den farbenfrohen und lebendigen Mustern können wir uns gar nicht satt sehen.